Uwe Steimle über sein MDR-Rauswurf

Uwe Steimle: Darum habe ich so lange geschwiegen

Fünf Monate wollte er nicht reden. Doch jetzt lud Kabarettist Uwe Steimle SUPERillu-Politik Gerald Praschl in sein Haus in Dresden ein, um über seinen Rauswurf beim MDR, über AfD und Pegida und Zeit der Corona-Krise zu sprechen © A. Wetzel | SUPERillu

Uwe Steimle: Das Interview zu Hause in Dresden

Ende 2019 beendete der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) die Zusammenarbeit mit Kabarettist Uwe Steimle, 56. Seine Sendung "Steimles Welt", bisher ein Quotenrenner, wird seitdem nicht weiter produziert. Als Grund gab der Sender an, dass Steimle den MDR immer wieder öffentlich kritisiere, was illoyal sei und die Vertrauensbasis zerstört habe.
SUPERillu bemühte sich damals, Steimles Sicht darauf zu erfahren, bot ihm ein Interview an, doch der Künstler schwieg. Nun, fünf Monate später, bat er uns zum Gespräch. Eine Einladung, die wir gerne annahmen. SUPERillu-Politikchef Gerald Praschl traf Steimle bei Kaffee und Kuchen in dessen Haus in Dresden.
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Kabarettist Uwe Steimle empfing SUPERillu-Politikchef Gerald Praschl zu Kaffee und Kuchen in seinem Haus in Dresden. Dabei trug Steimle erst sein provozierendes T-Shirt

Herr Steimle, warum haben Sie zu Ihrem Zoff mit dem MDR so lange geschwiegen?

Das war kein Zoff, man hat einen Satiriker entfernt. Und das traf mich völlig unerwartet. Ich stand unter Schock und wollte erst mal nachdenken, getreu dem Motto: Lerne schweigen, ohne zu platzen.

So überraschend war Ihr Rauswurf nicht. Immer wieder hatten Sie Streit mit dem Sender. Zuvor im Sommer 2019 - als ihr "Kraft durch Freunde"-T-Shirt für Empörung sorgte - das Sie hier bei unserem Gespräch "zufällig" anhaben...

Das Niggi? Ja, das habe ich natürlich absichtlich heute angezogen, weil ich zeigen will, dass ich dazu stehe. Ich war sprachlos. "Kraft durch Freunde" war das Lebensmotto von Werner Finck, einem Kabarettisten, der im Dritten Reich im KZ saß. Was bitte will man mir unterstellen? Satire muss ätzen, übertreiben, zuspitzen. Gedankenfreiheit ist die Hauptschlagader einer Demokratie. Wird die beschädigt, droht der Infarkt. Übrigens, auf dem Rücken des Niggi steht das Motto in russischer Schrift. Aber so weit schauen viele offensichtlich nicht.

Wir müssen alles tun, damit die Spaltung nicht noch größer wird
Uwe Steimle

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Uwe Steimle in dem Arbeitszimmer seines Hauses in Dresden

Sie ernteten auch viel Kritik, weil Sie in Talkshows Sympathien für die AfD und auch die Pegida-Demonstranten zeigten...

Ich habe mich nicht für die AfD oder Pegida eingesetzt, weil ich die so sympathisch finde. Aber sehr wohl dafür, mit ihnen zu reden. Wenn 25 Prozent der Menschen die AfD wählen, dann kann man die doch nicht ignorieren. Ich will Brückenbauer sein. Stattdessen werde ich als irgendwie rechts abgestempelt und ins Abseits gestellt. Mich erinnert das an finsterste DDR-Zeiten, wo es vielen Künstlern ähnlich erging.

Ein gewagter Vergleich! Künstler, die bei Honecker in Ungnade fielen, landeten im totalen Aus. Sogar Filme, in denen sie mitspielten, wurden nicht mehr gezeigt, alle Auftritte gestrichen, keiner redete mehr mit ihnen. Und wenn sie dann frustriert das Land verließen, wurden sie oft auch noch enteignet. In Ihrem Fall hat ein einzelner Sender - zugegeben ein wichtiger - die Zusammenarbeit aufgekündigt. Sind Sie da nicht ein bisschen wehleidig?

Ich habe beide Systeme erlebt und lasse mir da nichts einreden. Das läuft halt heute mit feinerer Klinge. Wenn hundert Menschen in Teheran demonstrieren, berichtet die ARD. Wenn 52.000 Fans ihre Lieblingssendung im MDR - "Steimles Welt" - wiederhaben wollen und dafür eine Petition unterschreiben, findet das kaum Erwähnung. Was hat das mit Demokratie zu tun? Ein Satiriker hat nicht loyal zu sein, sondern die Wunden in der Gesellschaft aufzureißen, damit sie sichtbar werden. Eine Gesellschaft, die beginnt, ihre Kasper zu köpfen... in der liegen die Nerven blank.

Ich will Brückenbauer sein. Stattdessen werde ich als irgendwie rechts abgestempelt und ins Abseits gestellt.
Uwe Steimle

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Skeptischer Blick in die Kamera von SUPERillu-Fotograf Andreas Wetzel: Uwe Steimle beim Interview in seinem Haus in Dresden

Als Satiriker teilen Sie doch selbst seit drei Jahrzehnten gerne kräftig aus. Dann muss man doch nicht so empfindlich sein, wenn man mal Gegenwind einfährt...

Da haben Sie natürlich völlig recht, das halte ich auch aus. Es sollte nur auf eine faire Art und Weise stattfinden, dann ist das völlig in Ordnung. Ein Satiriker ist ein gekränkter Idealist. Er will die Welt gut haben. Sie ist schlecht. Und nun rennt er gegen das Schlechte an. Übrigens ist es ja nicht das erste Mal, dass ich rausgeflogen bin. Gleich nach der Kehre, als ich beim MDR-Landesfunkhaus anfing, bin ich auch rausgeflogen, weil in meinem Drehbuch folgender Satz stand: "Die Wiedervereinigung ist erst vollzogen, wenn der letzte Ostdeutsche aus dem Grundbuch gelöscht wurde." Die wollten den Satz streichen und ich wollte mir das nicht gefallen lassen - da war ich draußen. Für nicht lange, denn kurz darauf tagte der Rundfunkrat und machte den Rauswurf rückgängig, aufgrund medialen Drucks. Sie können ja in diesem Land alles sagen, was Sie denken. Sie müssen nur das Richtige denken. "Wir sind nicht nachtragend. Aber wir vergessen auch nichts." So heißt übrigens auch mein neues Buch, das im Herbst im Verlag Faber & Faber erscheinen wird.

Wegen der Corona-Krise sind auch Ihre vielen Live-Auftritte erst einmal gestrichen. Wie sieht aktuell Ihr Leben aus?

Mein letzter Live-Auftritt war am 10. März, mit meinem Programm "Zeit heilt alle Wunder". Den Mitschnitt gibt's inzwischen auch als CD bei BuschFunk. Nachdem Live-Auftritte wegen der Corona-Quarantäne aktuell nicht möglich sind, habe ich mir natürlich überlegt, was ich machen könnte. Als Dresdner wollte ich trösten. Was ja "Dresden" vom Sächsischen ins Hochdeutsche "übersetzt" heißt.

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Zum Abschied blickt Uwe Steimle aus einem Fenster seines Hauses in Dresden

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Jeden Abend sende ich "Steimles Welt-Abendgruß" auf meinem YouTube-Kanal live aus meinem kleinen Studio bei mir im Keller. Da gucken inzwischen viele Tausend Leute zu, ich bekomme lobende Zuschriften aus aller Welt. Ich habe das große Glück, dass man mir zuhört. Nicht weil ich dem Volke nach dem Maul rede, sondern ihm aufs Maul schaue. Mir selbst geht es sehr gut. Ich liebe meine Heimat. Auf meine erwachsenen Kinder bin ich stolz, eine Tochter studiert Medizin, die andere ist als Juwelenfasserin sehr erfolgreich, wurde als bester Lehrling der BRD ausgezeichnet. Ich habe ein schönes Haus, der Vorratsschrank ist voll. Und das Wichtigste ist, dass wir Frieden haben, wenigstens in unserem Land. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass das so bleibt. Wir müssen alles tun, damit die Spaltung nicht noch größer wird. Wir können anderer Meinung sein. Wichtig ist, dass wir im Gespräch bleiben und fair und respektvoll miteinander umgehen. Da ist leider in den letzten Jahren viel an Gesprächskultur verloren gegangen. Dass der Ton so hart geworden ist, liegt aber auch daran, dass viele nicht mehr gehört werden.


Quelle: SuperIllu